Andacht - CVJM Adlerbrücke
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Andacht

 

Schweigen – Weg zur Mitte und zur Wandlung

Es scheint so, dass unsere Generation – mindestens im westlichen Teil der Welt – die bestinformierte Generation ist, die je auf der Erde gelebt hat. Elektronische Medien und Satelliten sorgen dafür, dass jede wichtige und unwichtige Neuigkeit binnen Minuten weltweit auf Bildschirmen, Smartphones und Handys erscheint.

Die Informationsflut dreht die Informationsmaschine immer schneller: Mehr Bilder, mehr Informationen, mehr Aktionismus, mehr Skandale, mehr Empörung, mehr Forderungen und Appelle. Aber auch mehr Schrilles, mehr Show, mehr Moden, mehr Trends, mehr Geschwätz und Aufgeblasenheit. Schleudern uns die Zentrifugalkräfte aus der Mitte heraus? Gibt es eine Magnetkraft, die uns festhält? Was hält eine Welt zusammen, die nur aus Interessenvertretern besteht?

Wir Heutigen sind angesichts der dunklen Wolken, die unser Jahrzehnt bestimmen, eher zaghaft, wenn wir singen: „Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret.“

Es scheint so, als habe Friedrich Dürrenmatt schon vor Jahren unser Zeitgefühl zutreffend geschildert, in seiner Parabelerzählung „Der Tunnel“: Irgendein Schnellzug fährt in irgendeinen Tunnel. Doch dieser Tunnel nimmt kein Ende. Die Fahrt geht in rasendem Tempo bergab. Die Neigung der Strecke nimmt ständig zu, und am Ende steht die furchtbare Erkenntnis: Auf der Lokomotive ist der Führerstand leer. Wenn der Führerstand leer ist, muss sich dann der Mensch neu erfinden?

Diese Forderung wird ja immer wieder laut. Kann aber der Mensch sein eigener Erfinder, also sein Schöpfer sein? Auch für die persönliche Lebensführung ist es nicht nebensächlich, ob ich mich als Geschöpf verstehe oder als Schöpfer. Das Missverständnis, die Schöpfung habe vor allem dem Menschen und seinen Interessen zu dienen, hat unsere Welt kräftig durcheinander gebracht.

Was ist zu tun? Werner Bergengruen schreibt in seinem Gedicht „Wir sind so sehr verraten…“ in der letzten Strophe: „O komm, Gewalt der Stille und wandle du die Welt“.

Nur aus der Stille, aus dem Schweigen kann eine grundlegende Verwandlung der Zeit und des Zeitgefühls erwachsen. Dann werden sich unsere Ohren für mehr öffnen als für die Wahrnehmung unserer Interessen. In der Stille wird das Wort Gottes vernehmbar, wenn der auferstandene und erhöhte Christus durch den Heiligen Geist in uns betet.

Dann kann aus der Stille das Beten und aus dem Schweigen das Hören erwachsen.

Dadurch stehen nicht die Erfüllung unserer Wünsche, die Bewahrung unseres Lebens und das Gelingen unserer Pläne im Vordergrund. Gott schafft in uns die dankbare Zustimmung zu seinem Willen. Aus uns sollen Leute werden, die die Schöpfung mitgestalten und Mitgeschöpfe nicht unterdrücken. Gott nimmt uns an wie wir sind, aber er lässt uns nicht wie wir sind.

Hermann Bollmann